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Lost Places Teil 3: Das Albrechtshaus im Selketal9 Minuten Lesezeit

Lost Places Teil 3: Das Albrechtshaus im Selketal9 Minuten Lesezeit

Einst war es ein prachtvoller Bau im wundervollen Wald im Selketal gelegen. Als Lungenheilstätte hatte es einen guten Ruf. Heute ist es eine vom Brand zerstörte Ruine.

Die Lungenheilstätten im Selketal

Albrechtshaus
Ansichten aus: “Die von Invaliditäts- und Altersversicherungsanstalten im Harze angelegten Heilstätten für Lungenkranke. Hannover: Alpers [ca. 1900]”
Im Selketal im Harz (Deutschland) im Bundesland Sachsen-Anhalt liegt in einem völlig verwilderten Grundstück die Lungenheilstätte Albrechtshaus und (ehemals) Marienheim.

Auf dem Weg zur Ruine kommt man sogar an einer Haltestelle der Selketalbahn vorbei.

Das Albrechtshaus liegt im Naturschutzgebiet Albrechtshausen. Die Unterschutzstellung erfolgte bereits am 30. März 1961 in der DDR.

Das Selketal ist ein gefragtes Ausflugsziel von Wanderern und Radfahrern. 2006 wurde dafür der Selketal-Stieg als ausgeschilderte Wanderroute geschaffen.

Der Selketal-Stieg ist insgesamt 67 km lang.

1. Die Ruinen

1.1. Das Haus des Chefarztes

Zuerst stößt man auf eine Ruine vor dem Albrechtshaus.

Es ist nicht sicher, um welches Haus es sich handelt. Die Vermutung liegt nahe, dass es das Haus des Chefarztes war. Viel ist nicht davon zu erkennen, ein Feuer hat es ebenfalls stark zerstört.

1.2. Das Albrechtshaus

Beim Weitergehen erkennt man dann das eingezäunte Albrechtshaus. Der Name ist irreführend, denn es handelt sich nicht um ein normales Haus, sondern eher um einen Komplex.

Am 22. August 2013 wurde das Gebäude durch Brandstiftung zerstört. Man kann sich vorstellen, wie schön es einst ausgesehen haben muss. Leider kommen wir dafür einige Jahre zu spät, das Feuer ließ nicht viel übrig.

2. Die Zerstörung

2.1. Das Albrechtshaus brennt

Die leer stehende Klinik Albrechtshaus wurde am 22. August 2013 Opfer von Brandstiftung. Da es keinen Wasseranschluss mehr gab, und die Selke zu wenig Wasser führte, musste die Bundesstraße 242 und der Abzweig zur Friedrichshöhe gesperrt werden. Dann wurde eine vier Kilometer lange Löschwasserleitung aufgebaut.

Sogar der Bahnverkehr der Harzer Schmalspurbahn wurde vorübergehend eingestellt.

Trotz hundert Feuerwehrleuten konnte das Gebäude nicht mehr gerettet werden. Man ließ es gesichert ausbrennen. Besonders der Mittelteil mit der Uhr wurde fast völlig zerstört.

2.2. Das Chefarzthaus wird zerstört

Am 27.12.2019 brannte es erneut. Sechs freiwillige Feuerwehren versuchten das Feuer in dem Einfamilienhaus auf dem Gelände des Albrechtshauses zu löschen. Schwierig wurde es wieder durch den fehlenden Wasseranschluss.

Dieses Mal löste man das Problem mit vier Tanklöschfahrzeugen. Am drei Kilometer entfernten Bergsee in Günthersberge wurde  eine Wasserentnahmestelle aufgebaut.

Das Gebäude konnte wegen Einsturzgefahr nicht mehr betreten werden und stürzte teilweise ein. Auch hier handelte es sich um Brandstiftung.

3. Die Geschichte der Lungenheilstätte

Die ehemalige Lungenheilstätte im Selketal wurde 1894 durch die Landesversicherungsanstalt Braunschweig geplant und errichtet. 1897 gab der damalige Prinzregent Albrecht von Preußen vom Herzogtum Braunschweig dem Heim seinen Namen.

Zuerst wurden 40 männliche Patienten aufgenommen. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Kapazität erweitert, dazu wurden die einstöckigen Flügel mit Aufbauten versehen.

Bereits 1930 konnten 100 männliche und 80 weibliche Kranke behandelt werden. In den 1930er Jahren entstand zudem ein pavillonartiges Gebäude zur Aufnahme von lungenkranken Kindern.

3.1. Das Marienheim

1899 wurde das Marienheim für 24 weibliche Patientinnen errichtet. Es wurde nach der Gemahlin des Prinzregenten Marie von Sachsen-Altenburg benannt.

Es wurde 2009 für den geplanten Umbau als Hotel abgerissen.

3.2. Die Kirche

Am 20. Mai 1905 wurde auf dem Gelände eine im norwegischen Drachenstil ausgeführte Stabkirche geweiht, die zuerst in einer Fabrik gefertigt wurde, ehe sie am Ort aufgebaut wurde. Entworfen wurde sie nach dem Vorbild der Kirche Wang im Riesengebirge vom Zimmermeister R. Witte aus Osterwieck.

Kirche

Der Legende nach soll sie von einem skandinavischen Patienten gestiftet worden sein.

Die Privatkirche für 150 Menschen wurde von der Kirchengemeinde Stiege/Hasselfelde betreut. Nach der Schließung des Albrechtshauses blieb sie über 20 Jahre ungenutzt.

Da die Kirche oft Opfer von Einbrüchen und Vandalismus wurde, beschloss man, sie 2011 zu verschließen. 2014 wurde beschlossen, die Kirche abzubauen. Die damalige Besitzerin des Albrechtshauses stimmte zu, sie wusste nicht einmal von der Existenz der Kirche.

Das Gebäude wurde zum Denkmal von nationaler Bedeutung erklärt. Ein Verein wurde gegündet, der die Pläne 2020 endlich umsetzen konnte. Im November 2020 wurde das neue Fundament erstellt, im März 2021 begann der Ab- und gleichzeitig der Aufbau in Stiege, der fast 1.000.000 Euro kostete.

Bis heute ist die Kirche noch völlig detailgetreu, abgesehen von dem durch Ziegeln ersetzen Holzschindeldach und kann nach Rücksprache besichtigt werden.

3.3. Die Anlage

Im Wald wurde ein mit einer Kegelbahn ausgestatteter Spielplatz der Haupttreffpunkt für die Patienten. Daneben gab es mehrere Geräte zum Freiturnen. Für die Wasserversorgung gab es eine eigene Leitung, die Gebirgswasser lieferte.

4. Die Nutzung in der ehemaligen DDR

Das Albrechtshaus diente auch in der DDR der Bekämpfung der Tuberkulose. Dazu wurde es zum Fachkrankenhaus umgebaut.

4.1. Der Rückgang der Lungentuberlukose

1987 wurde es durch den Rückgang der Lungentuberlukose ein Sanatorium für Herz-Kreislauf-Patienten. Im Juli 1991 wurde die Klinik in eine Reha-Klinik umgewandelt, die zum 31. Dezember 1993 geschlossen wurde.

5. Was ist Tuberlukose?

KrankheitDie Tuberkulose benannt von dem Würzburger Kliniker Johann Lukas Schönlein wegen des histopathologischen Bildes ist eine weltweit durch Bakterien verbreitete Infektionskrankheit.

Der deutsche Biologe Robert Koch entdeckte den Erreger Mycobacterium tuberculosis und präsentierte ihn am 24. März 1882 der Öffentlichkeit.

5.1. Die Infektion der Lunge

Die häufigste Erkrankung ist die Infektion der Lunge. Die offene Lungentuberlukose wird durch Tröpfchen (Aerosole) durch Husten und Niesen von Mensch zu Mensch übertragen.

5.2. Die Infektion von Organen

Bei der Verbreitung über die Lymph- oder Blutbahn, können auch andere Organe befallen werden, wie Lymphknoten, Rippenfell, Nieren oder Harnwege. Seltener sind Knochen, Gelenke, Wirbelsäule, Verdauungstrakt oder das zentrale Nervensystem betroffen.

5.3. Die Miliartuberlukose

Die gefährlichste Verlaufsform ist die Miliartuberkulose, bei der mehrere Organe befallen werden. Die tuberkulöse Hirnhautentzündung ist besonders gefürchtet.

5.4. Die Tuberlukose im Jahr 1900

Besonders in Notzeiten verbreitete sich die als Schwindsucht bezeichnete Krankheit durch ungesunde Lebensumstände, starkes Zusammenleben vieler Menschen auf engstem Raum, mangelnde Hygiene und schlechte Ernährung.

Bis zur Entdeckung und Anwendung von Antibiotika verliefen die meisten Fälle tödlich. Dabei wird in dem damals auflagenstärksten illustrierten Blatt Deutschlands, der Gartenlaube, angegeben, dass der siebte Teil der Menschheit der Lungenschwindsucht erliegt.

“Der siebte Teil der Menschheit erliegt der Lungenschwindsucht, dass, um Zahlen in ihrer brutalen Nüchternheit sprechen zu lassen, in Deutschland jährlich durchschnittlich 160 000 Menschen dieser bisher ungezügelten Krankheit zum Opfer fallen, und dass diese sich größtenteils in einem sonst in der Vollkraft der Entwicklung stehenden Lebensalter befinden.”

6. Die Lungenheilstätten

Im Jahr 1854 wurde von Hermann Brehmer die Lungenheilstättenbehandlung eingeführt. Wegen der hohen Infektionsgefahr befanden sich die Lungenheilstätten abseits von Orten. Sie besaßen meist große Sonnenterrassen und Gärten.

6.1. Die Therapie

Bereits 1891 wurde von dem französischen Chirurgen Théodore Tuffier die Pneumolyse eingeführt. Dabei führte man absichtlich einen Lungenkollaps herbei. Die Komplikationen waren sehr hoch. Von fünf Patienten starben drei nach kurzer Zeit.

Normalerweise bestanden die konservativen Maßnahmen aus Einhalten einer strengen Bettruhe, Freiluftkuren bis zur Aerosoltherapie.

Ab 1949 begann man mit der Lungenchirurgie. Durch die Entwicklung des Antibiotikas konnte die Geißel gestoppt werden. Aber trotz allem, verschwunden ist die Tuberkulose nicht. Seit einigen Jahren ist sie durch resistente Bakterien wieder im Kommen.

7. Neue Pläne für das ehemalige Krankenhaus

Ein Käufer wollte aus dem leerstehenden Hauptgebäude ein KempinskiLuxus– und Wellness-Hotel entstehen lassen. Geplant war ein zentales Hotelgebäude mit fünf weiteren Nebengebäuden für 299 Gäste, mit Restaurants, Cafés, Pavillons zur Entspannung, Wellnessanlage mit Solegrotte, Dampf- und Sauna, Whirlpools, Hallenbad mit Klangdom, Fitness- und Massageräumen und Tennisplätzen.

Man hatte bereits mit dem Abbruch der Nebengebäude begonnen. 2009 wurde das Projekt stillgelegt. Das Gelände wurde mehrfach weiterverkauft.

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Weitere Artikel zum Thema im Internet:
→ Albrechtshaus (Stiege) Geschichte der Preußischen Lungenheilstätten:
Google
→ Albrechtshaus bei Stiege – Brand wurde gelegt: MZ.de
→ Alarm am Albrechtshaus im Oberharz: Volksstimme

→ Wenn vereinter Einsatz nicht nur Berge versetzen kann: Denkmal Leipzig
→ Stabkirche Stiege: Stabkirche Stiege
→ Albrechtshaus  rottenplace.de:
Rottenplace
→ Das Selketal im Harz – Ausflugsziele und Sehenswürdigkeiten im Harz-Urlaub: Ole auf Geheimtippjagd
→ Die Tuberlukose im Wandel der Zeiten: MT im Dialog
→ Die Tuberlukosebekämpfung im Wandel der Zeiten: Imabe.org
→ Tuberkulose Fachportal für Wehrmedizin: Humanmedizin Tuberlukose

Autor

Marion Klüter
Marion Klüter ist Multimedia-Fachfrau und Bloggerin. Sie unterhält zwei Blogs mit unterschiedlichen Schwerpunkten, da sich beide Themen nicht miteinander vereinen ließen, denn Wut und Kreativität passen schlecht zueinander. Seit einiger Zeit sind ihr Verlobter und sie stolze Besitzer eines Riesenschnauzers. Trotz vieler Rückschläge in ihrem Leben hat sie den Humor nicht verloren und lacht weiterhin gerne, auch über sich selbst.

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