Lost Places: Die Kohlenkirche in Stadthagen

Lost Places: Die Kohlenkirche in Stadthagen

Einzigartig in Deutschland: Die Kohlenkirche in Stadthagen, gebaut im luxuriösen Jugendstil. Ein Gebäude, das wegen seiner Bauweise Kirche genannt wurde, aber keine war. Das Zechenhaus wurde 2024 abgerissen.

Die Kohlenkirche

Verlorene Heimat

Eines der schönsten Denkmäler, das in Niedersachsen für immer verloren ist, ist die Kohlenkirche Georgschacht in Stadthagen.

Als Teil des Georgschachts war das Gebäude ein Zeugnis der regionalen Bergbaugeschichte Schaumburg-Lippes, deren Wurzeln bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen.

Der Georgschacht war eine der größten Kohlegruben Deutschlands.

Quelle: Land und Forst Beitrag vom 28.08.2025

mkl 09.09.2025 Zwischen 1905 und 1908 wurde das Zechenhaus in Stadthagen im Landkreis Schaumburg erbaut. Das repräsentative Gebäude wurde wegen seiner Bauweise mit Mittel- und Seitelschiffen, romanischen Rundbögen und einer Turmuhr „Kohlenkirche“ genannt.

Sie war eine Waschkaue mit angeschlossenem Verwaltungsgebäude. Im zweigeschossigen Anbau mit dem Uhrenturm befand sich die Verwaltung. In den Hallen lagen die Waschräume.

Bilder 1 bis 4: Die Kohlenkirche, die Hauptverwaltung und die Waschkaue

Hier wurde die Kohlenzeche mit der Verwaltung erstmalig vereint. Mit seiner luxuriösen Bauweise im Jugenstil war es einzigartig. Für die Steiger und Mannschaften gab es sogar Badewannen und Duschen.

1. Trotz Einzigartigkeit soll es abgerissen werden

1960 wurde das Kohlebergwerk geschlossen. Danach wurde die Kohlenkirche geräumt. Seitdem gab es unzählige Versuche, die unter Denkmalschutz stehende Kohlenkirche zu retten.

1.1. Wie wichtig sind Industriedenkmäler?

Die Kohlenkirche als Erinnungsort

Dr. Georg Römhild, der bis zu seinem Ruhestand an den Universitäten in Siegen und Paderborn Geografie lehrte, beschäftigt sich seit den frühen achtziger Jahren mit dem Bergbau in Schaumburg. …

Römhild war es auch, der dem damaligen niedersächsischen Wissenschaftsminister Johann-Tönjes Cassens 1985 in einem Brief den Vorschlag unterbreitete, aus der stillgelegten Bergwerksanlage einen Erinnerungsort zu machen.

Quelle: Kein Geld für die Geschichte Beitrag von Schaumburger Nachrichten vom 18.04.2017

Noch im Mai 1986 hatte der damalige Wissenschaftsminister Johann-Tönjes Cassens nach einer Einladung von Geograf Dr. Georg Römhild eine Summe von 400.000 DM für die Sanierung am Georgschacht zur Verfügung gestellt. Dieses Geld sollte für erste Sicherungen an Dach- und Fachwerk verwendet werden.

Leider tat sich danach nichts. Das Geld wurde nicht geordert, das Vorhaben landete anscheinend in einer Schublade.

„Ein Skandal,
der uns Bergleuten sehr weh tut.“

Die Arbeitsgemeinschaft Bergbau Schaumburg kämpfte viele Jahre lang um den Erhalt der flächendeckend größten Kohlengruben in Deutschland.

Bilder 5 bis 8: Die Kohlenkirche, die Hauptverwaltung und die Waschkaue

In Nordrhein-Westfalen und in Dortmund wird der Erhalt der Reste der Bergbauära ernst genommen. Die Überzeugung, dass Relikte der Industriegeschichte erhalten bleiben sollten, sind dort fest verankert. In Schaumburg ist der Erhalt anscheinend nicht wichtig genug.

1.2. Die Landesgartenschau als neue Hoffnung

„Aus der Bergehalde und dem Gelände kann man viel machen“, so Kellermeier, nach dessen Konzept einzelne Gebäude am Georgschacht beispielsweise zu einem Kletterturm und einer Aussichtsplattform umgerüstet worden wären.

Doch auch diese Überlegungen scheiterten an den finanziellen Rahmenbedingungen, unter denen die Lokalpolitik operierte.

Quelle: Kein Geld für die Geschichte Beitrag von Schaumburger Nachrichten vom 18.04.2017

2006 witterte Dieter Kellermann, der damalige Vorsitzendes des Gartenbauvereins Stadthagen eine neue Chance, das Gelände zu retten. Dafür wollte er die Landesgartenschau nach Stadthagen auf das Gelände des Georgschachts holen.

„Ich bedauere noch heute,
dass es nicht geklappt hat.“

Dem Stadthäger Bürgermeister erschien das Vorhaben aus finanzieller Sicht zu riskant.

Auch für das Stadtjubiläum im Jahr 2022 gäbe es keine Aussicht die erwarteten zweistelligen Millionenbeträge aufzubringen. Es sei nicht möglich, das Industriedenkmal allein auf Kosten der Stadt zu erhalten und zu sanieren.

Bilder 9 bis 12: Die Kohlenkirche, die Hauptverwaltung und die Waschkaue

Bei der Kohlenkirche und den Wasserturm sei es nicht möglich, diese vor weiteren Verfall zu bewahren. Da das Zechenhaus, – die Kohlenkirche, unter Denkmalschutz stehe, bleibe nur, die anderen Bauwerke abzureißen.

1.3. Die Arbeitsgemeinschaft Bergbau Schaumburg löst sich auf

Trotz Auflösung der Arbeitsgemeinschaft Bergbau Schaumburg treffen sich die Mitglieder noch regelmäßig. Ein Abriss wäre für die ehemaligen Mitglieder eine Katastrophe. Ihre Hoffnung sei, das wenigstens die Ruinen der Gebäude stehen bleiben könnten.

Bilder 13 bis 16: Die Kohlenkirche, die Hauptverwaltung und die Waschkaue

1.4. Bringt das Leader-Programm der Europäischen Union die Rettung?

LEADER

„Verbindung zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft“ – ist ein Maßnahmenprogramm der Europäischen Union, mit dem seit 1991 modellhaft innovative Aktionen im ländlichen Raum gefördert werden.

2017 wurde im Planungs- und Bauausschuss der Stadt Stadthagen überlegt, mit Fördergeldern aus dem LEADER-Programm der Europäischen Union zu sanieren.

„Damit endet am Standort ein Kapitel
niedersächsischer Industriegeschichte und damit
enden auch
die Diskussionen über den Erhalt des Gebäudes.“

Der Grundgedanke des Programmes sei es, dass lokale Aktionsgruppen vor Ort Entwicklungskonzepte erarbeiten, damit die ländlichen Regionen Europas zu einer eigenständigen Entwicklung befähigt werden.

Bilder 17 bis 20: Die Kohlenkirche, die Hauptverwaltung und die Waschkaue

Allein zwischen 2000 bis 2006 standen in Deutschland 247 Millionen Euro an Gemeinschaftsmitteln bereit. In Österreich waren es im selben Zeitraum rund 75 Millionen Euro.

Geplant war, die Kohlenkirche zu erhalten und den Oberteil des Wassersturm abzureißen. Es ist mir nicht bekannt, ob der Antrag gestellt wurde oder ob er abgelehnt wurde. Das Geld stand nicht zur Verfügung, und die Sanierung fand nicht statt.

[nextpage title=“Ein Großbrand zerstört endgültig alle Hoffnungen“]

1.5. Ein Großbrand zerstört endgültig alle Hoffnungen

Bei einem Großbrand am 23.10.2019 auf dem Georgschachtgelände wurden vier von fünf historischen Werkstätten völlig zerstört. 50 Tonnen Papier und 40 Tonnen Kunststoff wurden dabei ein Opfer der Flammen. Nur die letzte Werkstatt blieb verschont und wird vom Entsorgungsunternehmen PreZero als Verwaltungsgebäude genutzt.

Bilder 21 bis 24: Die Kohlenkirche, die Hauptverwaltung und die Waschkaue

Die Kohlenkirche und umliegende Gebäude wurden nicht beschädigt.

1.6. Alles vergebens

Die Kohlenkirche wird abgerissen

Für einen „bewahrenden Abriss“ der Kohlenkirche – ein Bewahren durch Sichern und Sanieren des Kirchturms als singuläres Wahrzeichen der Städtischen Industriekulturgeschichte wie von der Projektgruppe Georgschacht angeregt – hat sich die heimische Bundestagsabgeordnete Marja-Liisa Völlers gemeinsam mit dem Sprecher der Projektgruppe, Jörg Janning, in Gesprächen mit dem Eigentümer des Areals eingesetzt.

Quelle: Stadthagen: Arbeiten am Georgschacht in Stadthagen beginnt vom 10.11.2023

2006 wurden im August die Kohlensilos gesprengt. Die Fördertürme, Förderbrücken, Verladeanlagen, Schornsteine und die Kokerei wurden demontiert.

Bilder 25-30: Die Kohlenkirche, die Hauptverwaltung und die Waschkaue

Der Abriss der Kohlenkirche erfolgte Ende 2023 und Anfang 2024, da eine Sanierung aufgrund des fortgeschrittenen Verfalls nicht mehr möglich war.

1.7. Ein verlorenes Denkmal mehr

Nummer 3621/02 Geotop

Zechenhaus und Maschinenhaus werden als „Gebäude der Hauptzechenanlage Georgschacht des ehemaligen Steinkohlen-Bergbaus im Obernkirchener Revier“ unter der Nummer 3621/02 als Geotop geführt.

Grund ist ihre Bedeutung als geowissenschaftliche, kulturhistorische Objekte.

Quelle: Liste der Geotope im Landkreis Schaumburg – Wikipedia

Im 2025 erschienenen Schwarzbuch der Deutschen Stiftung Denkmalschutz wird das als „Kohlenkirche“ bezeichnete Zechenhaus des Georgschachts als eines von bundesweit mindestens 900 Denkmalen erwähnt, die 2023 und 2024 verloren gegangen seien.

Bilder 31-35: Die Kohlenkirche, die Hauptverwaltung und die Waschkaue

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2. Die Waschkaue

Die Waschkaue war ein Umkleide- und Badehaus für Bergarbeiter. Die Badewannenkabinen für die Steiger waren wohl einzigartig zu dieser Zeit. Nicht einmal Adelige besaßen damals Badewannen. Daneben lagen die Gemeinschaftsduschen für die Mannschaften.

Aus Sicherheitsgründen war es verboten, in den Kauen
grundlos zu schreien oder sonst wie Lärm zu erzeugen. Außerdem war es verboten, laut zu singen oder zu pfeifen.

Bilder 36-40: Die Kohlenkirche, die Hauptverwaltung und die Waschkaue

Das warme Wasser kam aus Kesseln im Dachgeschoss des Verwaltungstrakts und wurde durch Dampf aus dem Kesselhaus aufgeheizt. Im hohen Mittelschiff waren die Kleidungs-Kettenzüge enthalten. Zum Befüllen der Atemluftflaschen wurde im Keller eine Kompressoranlage betrieben. Dort hatte auch die Grubenwehr ihre Räume.

Bilder 41-45: Die Kohlenkirche, die Hauptverwaltung und die Waschkaue

3. Die Zeche Georgschacht

Die neugierigen Besucher wollten sich offenbar selbst ein Bild von der verfallenen Industrieruine machen.

In dem an die Kohlenkirche angrenzenden Gebäude sollen sich unter anderem noch Schreibtische voller Aktenordner und Papiere befinden.

Auf einer Couch habe eine vergessene Puppe gelegen, berichtet ein Mädchen …

Selbst ein Bad mit Toilette sei dort noch relativ intakt.

Quelle: Schaumburger Nachrichten Beitrag vom 10.02.2017

Von 1902 bis 1960 wurde im Bergwerk Georgschacht Steinkohle abgebaut. Das ehemalige Bergwerk liegt in Stadthagen im Landkreis Schaumburg in Niedersachsen. Vor 140 Millionen Jahren gab es dort ein Sumpfareal mit tropischer Flora.

Bilder 46-50: Die Kohlenkirche, die Hauptverwaltung und die Waschkaue

Zwei Kilometer südwestlich des Zentrums wurde der Georgschacht in der Schaumburger Mulde errichtet. Hier gab es hauptsächlich Tiefbaukohle.

3.1. Die Vorgeschichte

Bereits 1510 wurde in Stadthagen Kohle abgebaut. 1604 gab es bereits drei Kohlebergwerke in Schaumburg.

1902 wurde der Zentralschacht erweitert. Als Ehrung für den anwesenden Fürsten Stephan Albrecht Georg zu Schaumburg-Lippe erhielt die Zeche den Namen Georgschacht. Im selben Jahr wurde ein Gleisanschluss an die Rintelner-Stadthagener Eisenbahn gelegt.

Bilder 51-55: Die Kohlenkirche, die Hauptverwaltung und die Waschkaue

Im Laufe der Jahre folgten ein Kraftwerk, eine Kohlenwäsche und Kokerei. An 1913 folgten eine Schmiede, die Schlosserei, eine Elektrowerkstatt und eine Tischlerei in nebeneinander liegenden Werkstatthallen.

3.2. Die Stilllegung

Der Begriff Kohlekrise (umgangssprachlich auch Zechensterben) beschreibt den Niedergang des Steinkohlenbergbaus in West- und Mitteleuropa.

Als Beginn der Kohlekrise gelten allgemein die Jahre 1957 und 1958, … die Bergwerke förderten mehr Kohle als nachgefragt wurde. Es gab „Feierschichten“ (Schichten fielen aus) und später Zechen-Stilllegungen.

Quelle: Wikipedia

Im Jahr 1960 wurde durch die Folgen der Kohlekrise beschlossen, mehrere Bergwerke im Schaumburger Land stillzulegen. Dazu gehörte auch der Georgschacht.

Auf dem Areal des Georgschachtes wurden von der Stadt mehrere Zweigniederlassungen von Metallbauunternehmen angesiedelt. Nach 1980 folgten Schrott– und Recyclingbetriebe.

Bilder 56-60: Die Kohlenkirche, die Hauptverwaltung und die Waschkaue

Die Förderbrücken, Verladeanlagen, Schornsteine, Kokerei und die Fördertürme wurden demontiert. Im August 2006 wurde das Kohlensilo gesprengt. Der Oberteil des Wasserturms wurde abgerissen.

Urban Legend
Unter den Jugendlichen kursiert zudem eine Gruselgeschichte, wonach in der verlassenen Ruine ein Obdachloser sein Unwesen treiben soll, der nachts schreit und unerwünschte Besucher mit einer Säge von seinem Grundstück verjage. Beweise für seine Existenz gibt es nicht.

Quelle: Gefährlicher Abenteuerspielplatz

Weitere Artikel zum Thema im Internet:
→ Die Kohlenkirche: Was bleibt ist die Erinnerung

→ Die Zeche Georgschacht: Wikipedia
→ Verlorene Heimat – diese Denkmäler Niedersachsens sind verschwunden: Land und Forst Beitrag vom 28.08.2025
→ Neues Schwarzbuch – Denkmale in Niedersachsen bedroht: HAZ Beitrag vom 19.08.2025
→ Die Kohlenkirche in Stadthagen ist Geschichte: Schaumburger Nachrichten Beitrag vom 07.01.2024
→ Das Schwarzbuch der Denkmalpflege – ein Verzeichnis verlorener Geschichte: PDF von 2023-2024
→ Stadthagen – Arbeiten am Georgschacht in Stadthagen beginnen: Schaumburger Nachrichten Beitrag vom 10.11.2023
→ Waren Dacharbeiten Schuld am Großbrand am Georgschacht?: Schaumburger Nachrichten Beitrag vom 25.10.2019
→ So sieht es nach dem PreZero-Großbrand am Georgschacht aus: Schaumburger Nachrichten Beitrag vom 24.10.2019
→ PreZero-Großbrand – So geht es jetzt am Georgschacht weiter: Schaumburger Nachrichten Beitrag vom 24.10.2019
→ Kein Geld für die Geschichte: Schaumburger Nachrichten Beitrag vom 18.04.2017
→ Gefährlicher Abenteuerspielplatz: Schaumburger Nachrichten Beitrag vom 10.02.2017
→ Schaumburger Bergbau- und Heimatmuseum: Getrenntes Bewahren – gemeinsames: Bergbau-Sammlungen 
→ 50 Jahre Kohlekrise: taz.de Beitrag vom 30.01.2007

02 Themenblatt:Zechenhaus „Kohlenkirche“

Georgschacht III: Von Ruinen, Denkmälern und Spielplätzen

Die Autoren

Texte Marion Klüter
Texte: Marion Klüter
Fotograf Michael Klüter
Fotos: Michael Klüter

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